Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint von einer Zinssenkung im nächsten Monat alles andere als begeistert zu sein.
Philip Lane, der Chefvolkswirt der EZB, erklärte uns, dass zwar bei der Bekämpfung der Inflation in der Eurozone gewisse Fortschritte erzielt worden seien, die EZB jedoch noch weit davon entfernt sei, bereit zu sein, ihren Griff um die Zinssätze zu lockern.
Er betonte, dass die Bank ihren derzeit restriktiven geldpolitischen Kurs noch eine Weile beibehalten müsse. „Die Rückkehr zum Ziel ist noch nicht gesichert“, sagte Lane.
Die EZB begann früher als die meisten Notenbanken in den Industrieländern mit der Lockerung ihrer Geldpolitik. Bereits im Juni senkte sie den Leitzins für Einlagen um einen Viertelprozentpunkt. Das war das erste Mal seit fast fünf Jahren, dass sie einen solchen Schritt unternahm.
Aber wenn jemand dachte, das sei ein Vorzeichen für die Zukunft, sollten Lanes jüngste Kommentare diese Vorstellung zerstören. Er sagte im Wesentlichen, dass Kreditnehmer, die auf eine baldige Erleichterung hoffen, wahrscheinlich Pech haben werden.
Der Markt war erschüttert von der Erwartung, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr noch zweimal senken würde, wobei die nächste Maßnahme wahrscheinlich im September erfolgen würde. Lanes Äußerungen kommen zu einem Zeitpunkt, da seine Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks und in Großbritannien ähnliche Debatten führen.
In den USA deutete der Vorsitzende der US-Notenbank, Jay Powell, zum bisher deutlichsten an, dass im September eine Zinssenkung anstehen könnte. In Jackson Hole sagte er:
„Es ist an der Zeit, die Politik anzupassen.“
Unterdessen schlug der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, in Großbritannien ähnliche warnende Töne an. Obwohl er einen gewissen Optimismus hinsichtlich des jüngsten Rückgangs der Inflation äußerte, war Bailey noch nicht bereit, den Sieg zu verkünden. Er sagte:
„Es ist zu früh, den Sieg zu verkünden.“
Die Bank of England hat kürzlich in einer hart umkämpften Abstimmung im August die Zinsen gesenkt. Es wird erwartet, dass sie die Zinsen im September unverändert lässt, und im November ist möglicherweise eine weitere Senkung geplant.
Doch wie die EZB scheint auch die Bank of England mehr daran interessiert zu sein, dass die Inflation nicht wieder ihr hässliches Haupt erhebt, als den Kreditnehmern eilig Hilfe zu leisten.
Lane warnte davor, die Zinsen zu lange zu hoch zu halten, da dies mittelfristig zu einer chronisch niedrigen Inflation führen könnte. Das wäre „ineffizient im Hinblick auf die Minimierung der Nebenwirkungen auf Produktion und Beschäftigung“, sagte er.
Die Anleger scheinen diese vorsichtige Stimmung zu spüren. Die langfristigen Inflationserwartungen in Europa sind auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren gefallen.
Dies bedeutet, dass der Markt davon ausgeht, dass die Zentralbanken die Zinsen weiter senken können, ohne einen erneuten Anstieg der Inflation auszulösen.
Der fünfjährige Forward-Inflationsswap der Eurozone – ein wichtiger Indikator für die Markterwartungen hinsichtlich des Preiswachstums in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts – fiel diese Woche zum ersten Mal seit Oktober 2022 unter 2,1 %.
Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber knapp über 2,3 % im letzten Monat.
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